Zum Erlass einer Rechtsverordnung der Landesregierung in der Eingliederungshilfe
In zahlreichen Gesprächen zwischen Land, Kreisen und kreisfreien Städten konnte keine Verständigung über eine Übergangsfinanzierung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen erzielt werden. Die Koordinierungsstelle soziale Hilfen der schleswig-holsteinischen Kreise (KOSOZ AöR) hat deshalb noch im vergangenen Jahr für die elf Kreise mit den Leistungsanbietern eigene Vereinbarungen zur Vergütung der Hilfen im Jahr 2023 abgeschlossen. Dazu Dr. Jonathan Fahlbusch, Geschäftsführender Vorstand der KOSOZ AöR: „Diese Verträge hatten zwei Ziele: Sie dienten als Grundlage für die Leistungsanbieter für die Finanzierung und sie sind mit Zielvereinbarungen verbunden, die konkrete Schritte zur Überführung ins neue Vertragsrecht verbindlich beschreiben.“ Der Abschluss der Vereinbarungen war schon deshalb erforderlich, um den Anbietern die erforderliche Rechts- und Planungssicherheit zu geben.
Diesen seit über drei Monaten gelebten Zustand will das Land nun mit einer Rechtsverordnung teilweise selbst und anders regeln. „Das Land hat andere fachliche Einschätzungen zu den Vergütungsanpassungen für die Leistungsanbieter im Jahr 2023 geltend gemacht“, sagt Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des schleswig-holsteinischen Landkreistages. „Eine andere Sicht der Dinge ist legitim. Über den Abschluss konkreter Vergütungen entscheiden aber nach der gesetzlichen Systematik die Kreise am Ende in eigener Verantwortung, hier darf das Land keine Vorgaben machen.“ Bei Selbstverwaltungs-aufgaben – und um eine solche handelt es sich beim Vollzug der Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein – liegt die abschließende Entscheidung bei den Kommunen. Schulz ergänzt: „Wenn man sich mit der eigenen Position in Verhandlungen nicht durchsetzt, auf das Instrument der Rechtsverordnung zu setzen, ist fragwürdig.“ Die Kreise bezweifeln, dass die Landesregierung zur Festsetzung von konkreten Vergütungen durch Verordnung befugt ist und werden dies gerichtlich überprüfen lassen. Die Hängepartie mit erheblicher Unsicherheit auf Seiten der Anbieter und der Menschen mit Behinderung wird wohl andauern: „Wir brauchen eine klare Position des Landes, ob nun über 500 Vereinbarungen zulasten der Anbieter an die Vorgaben der Verordnung angepasst werden müssen.“
Hinzu kommt, dass die Rahmenvertragsparteien bis Ende dieses Jahres einen neuen Landesrahmenvertrag schließen müssen, weil der alte ausläuft. „Mit dem Erlass der Verordnung verlässt das Land den Verhandlungstisch. Die Sozialministerin will in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung scheinbar durchregieren.“, fürchtet Fahlbusch. „Dabei brauchen wir gemeinsame Lösungen für die Menschen mit Behinderungen, um die Ziele einer personenzentrierten und selbstbestimmten Hilfe zu erreichen.“
verantwortlich: PD Dr. Sönke E. Schulz (SHLKT), Dr. Jonathan Fahlbusch (KOSOZ AöR)
Zum Hintergrund:
Zum 1. Januar 2020 ist mit der zweiten Stufe des Bundesteilhabegesetzes ein neues Vertragsrecht für die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen in Kraft getreten. Dabei hat es eine Vielzahl von Änderungen gegeben, unter anderem die Trennung von existenzsichernden Leistungen, die nunmehr der Sozialhilfe zugeordnet sind, von den Fachleistungen zur Teilhabe der Menschen mit Behinderungen. Ferner sind zahlreiche Leistungen neu konzipiert oder gar neu eingeführt worden. Für den Abschluss der so genannten Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungsanbietern sind in Schleswig-Holstein die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Die Kreise haben für diese Aufgabe die Koordinierungsstelle soziale Hilfen der schleswig-holsteinischen Kreise (KOSOZ) gebildet.
Wesentliche Aspekte der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen werden durch einen Landesrahmen-vertrag vorbestimmt. Ein solcher ist in Schleswig-Holstein bisher nur unvollständig zustande gekommen. Da eine hohe dreistellige Zahl von Verträgen nicht so einfach auf das neue Vertragsrecht umzustellen ist, sondern es jeweils eines Verhandlungsprozesses bedarf, besteht zwischen allen Beteiligten Einigkeit darüber, dass Übergangsvereinbarungen erforderlich sind und auch, gerade mit Blick auf die aktuell sehr volatile Inflationsentwicklung, mit pauschalen (Sach-)Kostensteigerungen arbeiten müssen. Über die konkrete Höhe dieser Anpassungen für das Jahr 2023 bestehen unterschiedliche Auffassungen. Die KOSOZ hat hierzu für die Kreise Verträge mit den Leistungsanbietern für die Hilfen für Menschen mit Behinderungen ge-schlossen, die dem Land zu teuer sind. Daher greift es nun mit einer Verordnung ein, die nach Auffassung der Kreise rechtswidrig ist.